Die Schweiz ist offiziell knapp an der Rezession vorbeigeschrammt, doch die Folgen der Frankenkrise sind deshalb nicht weniger real: Tausende Stellen sind schon weg, entweder schleichend abgebaut oder dann gleich in einem Rutsch ins Ausland verlagert. Viele «kleine» Stellenstreichungen werden nicht einmal als Kurznotiz vermeldet. Aber sie summieren sich. Zehntausende weitere Stellen sind in Gefahr. Sogar der – gelinde gesagt – nicht zu raschem Handeln neigende FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warnt unterdessen vor einer Deindustrialisierung der Schweiz.

Besonders bitter: Diese Rezession ist hausgemacht. Unsere Realwirtschaft ist nicht in Schwierigkeiten, weil sie schlecht arbeiten würde. Ganz im Gegenteil: wir haben innovative Unternehmen, sehr gute Produkte und hervorragende Forschende, Entwickelnde und Werkende. Zu verdanken haben wir die Rezession in erster Linie dem SNB-Präsidenten Thomas Jordan. Der hat am 15. Januar dem Druck der Spekulanten und der Finanzindustrie nachgegeben und liess den Euro-Mindestkurs fallen. Dafür wurde er noch am gleichen Tag an einer Veranstaltung der Zürcher SVP gefeiert. Seither steht insbesondere die Exportindustrie unter noch grösserem Druck. Es ist eine alte und traurige Erkenntnis: Jobs, die einmal ins Ausland ausgelagert sind, kommen kaum je wieder zurück.

Die andere Bedrohung für unsere Stellen und unseren Wohlstand ist das ungeklärte Verhältnis zur Europäischen Union, unserer wichtigsten Handelspartnerin. Mit der Annahme der sogenannten «Masseneinwanderungsinitiative» sind die Bilateralen Verträge massiv gefährdet.

Was also ist zu tun?

  1. Die Nationalbank muss dringend wieder einen Mindestkurs einführen und durchsetzen. Damit unsere Exportunternehmen wieder Planungssicherheit haben und nicht mehr der Willkür der Währungsspekulanten ausgesetzt sind.
  2. Die Bilateralen Verträge müssen gerettet werden. Die Personenfreizügigkeit ist zentral für unser wirtschaftliches Fortkommen. Damit dies nicht auf dem Buckel der Lohnabhängigen geschieht, sind die flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping konsequent durchzusetzen. Der Grundsatz «Schweizer Löhne für Schweizer Arbeit» muss ohne Ausnahme gelten. Zudem sind die Rechte der älteren Arbeitnehmer auszubauen, um diese vor ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen. Als weitere Massnahme muss das Angebot an bezahlbarem Wohnraum ausgebaut werden.
  3. Die Schweiz braucht eine Aus- und Weiterbildungsoffensive und eine fortschrittliche Familienpolitik. Nur wenn alle Menschen die Möglichkeit haben, sich gut aus- und stets weiterzubilden, können wir als rohstoffarmes Land bestehen. Das gilt für junge Menschen genauso wie für ältere. Erst recht gilt es für Frauen, die nach einer Familienzeit wieder einsteigen wollen. Hier liegt ein enormes Potential brach. Das ist nicht nur gesellschaftlich unbefriedigend, das ist auch ökonomisch unsinnig. Sparen bei Bildung und Forschung ist immer verantwortungslos, in einer Krise aber ganz besonders.
  4. Die Energiewende muss zügig und mit Blick auf die Industrie mit ökonomischer Vernunft umgesetzt werden. Sie ist nicht nur ökologisch richtig, sondern auch ein eigentliches Ankurbelungsprogramm für die einheimische Wirtschaft. Sie ist Industriepolitik im besten Sinne und ermöglicht endlich gleich lange Spiesse für unsere Spiesse für unsere Unternehmen im Verhältnis zu den ausländischen Mitbewerbern, deren Regierungen im Unterschied zur Schweiz schon seit Jahrzehnten Industriepolitik machen.

Die Energiewende schafft neue und nachhaltige Stellen in Forschung und Industrie. Allein für die ersten Jahre rechnen Ökonomen mit 85'000 neuen Jobs in der Realwirtschaft. Der energetische Umbau der Schweiz sichert darüber hinaus die Arbeitsplätze in regionalen KMU- und Gewerbebetrieben. Heute überweisen wir Schweizerinnen und Schweizer Jahr für Jahr rund 13 Milliarden Franken in Ausland für Erdöl, Erdgas, Uran und weitere Rohstoffe. Den grössten Teil dieses Geldes können wir mit der Energiewende im Land behalten und damit unseren Wohlstand nachhaltig sichern und fördern. Statt Ölscheichs und Rohstoffspekulanten zu mästen, soll dieses Geld künftig Schweizer Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe schaffen und sichern.

Die wirtschaftliche Lage unseres Landes ist ernst. Denn zu den von der Nationalbank und isolationistischen Kreisen verursachten hausgemachten Problemen, ist auch die weltweite Situation fragil, wie in den vergangenen Tagen gerade die Entwicklungen in China und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft gezeigt haben. Aber unser Land hat schon mehrfach bewiesen, wie stark und innovativ wir sind, wenn alle vernünftigen Kräfte in der gleichen Richtung am gleichen Strick ziehen. Damit müssen wir sofort beginnen und aufhören, uns mit aufgebauschten Pseudo-Problemen zu beschäftigen. Wir haben genug echte Herausforderungen. Packen wir sie endlich und energisch an.

28. Aug 2015