Mit einer aggressiven Kampagne haben vor allem FDP und Gewerbeverband den Rentenkompromiss zu Fall gebracht. Kurz nach der Abstimmung hatten die vermeintlichen Sieger behauptet, die Zeit des Sozialstaates wäre vorbei, das Volk hätte der neoliberalen Abbauagenda einen Persilschein ausgestellt. Jetzt zeigt die Voto-Abstimmungsbefragung: Nichts könnte falscher sein.

Noch selten hat eine Kampagne so konsequent auf die junge Genration gesetzt. Mit viel Polemik hat insbesondere die FDP versucht, die junge Generation gegen die angeblich «unfaire» Rentenreform aufzuwiegeln. Die Voto-Nachabstimmungsbefragung zeigt jetzt, dass die Argumente genau bei den Jungen nicht gegriffen haben. Tatsächlich haben sogar alle Altersgruppen bis und mit 50 beide Rentenreform-Vorlagen gutgeheissen. Selbst wenn die statistische Ungenauigkeit bei der Interpretation zur Vorsicht mahnt, ist der Ja-Anteil unter den Jungen erstaunlich hoch - zumindest wenn man sich die flächendeckende gegenteilige Behauptung in Kampagne und Medien vor Augen führt. Der Bruch erfolgt nachher, insbesondere ab 65. Das bestätigt einen Eindruck aus den letzten Wochen des Abstimmungskampfes: Viele Rentnerinnen und Rentner waren nicht bereit, einer Erhöhung der AHV-Renten zuzustimmen, von denen sie nichts hatten (die berühmten 70 Franken).

Das kann man auf den ersten Blick als egoistisch abtun. Sollte man aber nicht. Schaut man sich in der Voto-Umfrage die Gründe für das Nein zu den 70 Franken und die Ja/Nein-Anteile in Bezug auf das Einkommen an, wird eines schnell klar: Viele Menschen mit tiefen Einkommen kämpfen mit ihrem Budget – gerade auch Rentnerinnen und Rentner. Und tatsächlich hinkt die Entwicklung der AHV-Renten seit Jahren der Lohnentwicklung empfindlich hinterher. Das ist problematisch, wenn man bedenkt, dass für einen Grossteil der Menschen die AHV nach wie vor die wichtigste Einkommensquelle im Alter darstellt.

Auch die weiteren Argumente zeigen: Die Mehrheiten kippten nicht wegen den Argumenten der Gegner. Vielmehr wollten die Frauen klar machen, dass sie nicht bereit sind, eine Rentenaltererhöhung ohne echte Gleichstellung hinzunehmen. Zwar werden die Kompensationsmassnahmen begrüsst, aber einigen gingen sie zu wenig weit. Dieses Argument hat seine Berechtigung und muss bei der nächsten Reform dringend stärker gewichtet werden.

Fazit: Die Entsolidarisierungskampagne der Rechten hat trotz schwerstem Geschütz nur beschränkt eingeschlagen. Gerade die angesprochene junge Generation ist durchaus bereit, die solidarischen Altersrenten zu stützen. Ein neues Projekt muss aber den sozialen Realitäten der Rentnerinnen und Rentner sowie der Frauen besser Rechnung tragen. Klar ist damit auch: Der kalte, neoliberale Sozialabbau, von dem sie jetzt unter der Bundeshauskuppel bereits träumen, hat keine Chance. 

13. Nov 2017