Der Europäische Gerichtshof EuGH hat dieser Tage ein wegweisendes Leiturteil gefällt. Organismen, deren Erbgut mit neuen gentechnischen Verfahren manipuliert wird, sind dem Gentechnikrecht zu unterstellen. Das ist richtig, denn der Schutz der Umwelt und die Gesundheit des Menschen müssen oberste Priorität haben. Wo Gentechnik drin steckt, muss Gentechnik drauf stehen. Alles andere ist Täuschung.

Der Europäische Gerichtshof EuGH hat diese Tage ein wegweisendes Leiturteil gefällt. Organismen, deren Erbgut mit neuen gentechnischen Verfahren manipuliert wird, sind dem Gentechnikrecht zu unterstellen. Kurz und bündig heisst es im Urteil: „Gentechnik ist, wenn das Genom verändert wird.“ Das ist schlüssig. Vor der Freisetzung von genetisch veränderten Genomen (GVO) muss eine Risikoabschätzung erfolgen, denn die Gefahr besteht, dass sich die Organismen unkontrolliert in der Umwelt verbreiten könnten.

Dieser Entscheid wird von den Umweltorganisationen über die ökologischen Landwirtschaftskreise bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten begrüsst. In dieser Deutlichkeit wurde das Urteil nicht erwartet, es wird auch für die Schweiz wegweisend sein. Für die ökologische Landwirtschaft ist das eine gute Botschaft.

Entsprechend geschockt reagiert die Agrarindustrie. Schon heute kontrollieren wenige Agrarkonzerne weltweit den Handel mit Saatgut, Pestiziden und Düngemitteln und maximieren damit ihre Gewinne. Gentechnik fördert die industrielle Landwirtschaft mit riesigen Monokulturen und viel Chemie. Sie treiben weltweit Kleinbauern in die Schuldknechtschaft. Mit Gentechnik wird die Landwirtschaft weltweit von Agrarkonzernen abhängig gemacht. Es erstaunt kaum, dass diese Agrarmultis keine Freude am EuGH-Urteil haben.

Aufhorchen lässt hingegen die Reaktion der Wissenschaft. Sie stimmen in den Jammergesang der Agrarindustrie ein und beklagen bereits den Forschungsstandort der Schweiz. Das ist unverständlich, denn das Urteil schränkt die Forschung in keiner Weise ein. Der Entscheid betrifft einzig die Freisetzung und Deklarationspflicht von GVO. Die Forschung scheint immer mehr mit der Agrarindustrie verbandelt zu sein, was bei den zunehmenden Drittmittel an Forschungsgeldern nicht erstaunt.

Schweizer Wissenschaftler werfen dem EuGH öffentlich vor, sich nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen abzustützen. Sie behaupten, die Genschere Crispr/Cas aus dem Labor sei so präzise, dass ihr Eingriff mit natürlichen Mutationen vergleichbar sei. Diese Aussage ignoriert ihrerseits den wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Die Genschere funktioniert alles andere als fehlerfrei und präzis heisst keineswegs, dass der Eingriff harmlos ist. Unabhängige Studien weisen auf Fehlleistungen der Genschere in erstaunlich grossem Ausmass hin.

Die Erforschung des Lebens steht noch am Anfang, ebenso die Entwicklung der neuen gentechnischen Verfahren. Die Wissenschaft hat noch nicht das Wissen um die komplexe Interaktivität des Genoms zu durchschauen. Dazu sollten die Forschenden stehen, anstatt der Bevölkerung falsche Sicherheit vorzutäuschen.

Einmal freigesetzt, sind veränderte Gene nicht mehr zu kontrollieren. Bei den neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas gilt: der Schutz der Umwelt und die Gesundheit des Menschen müssen oberste Priorität haben. Wo Gentechnik drin steckt, muss Gentechnik drauf stehen. Alles andere ist Täuschung.

Produkte der neuen Gentechnik-Verfahren sind dem Gentechnikgesetz zu unterstellen und vor einer Freisetzung auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Der Entscheid des EuGH ist umsichtig und vorausschauend. Bleibt zu hoffen, dass sich der Bundesrat von diesem Urteil leiten lässt, wenn er Ende Jahr über die gleiche Frage entscheidet.

30. Jul 2018