Bei den laufenden Diskussionen um die 1:12 Initiative erinnere ich mich gerne an den Religionsunterricht in der Schule und dabei besonders an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Alle Arbeiter erhielten den gleichen Lohn, obwohl sie unterschiedlich lange arbeiteten. Was da der Wanderprediger Jesus vor 2000 Jahren sagen wollte, darüber nachzudenken, lohnt sich auch heute noch.

Jährliche Bezüge in zweistelliger Millionenhöhe sind doch in höchstem Masse unanständig und zählen sicher nicht dazu!
Verglichen mit der Situation der Arbeiter im Weinberg kommt die 1:12 Initiative äusserst moderat daher  und verdient deshalb meines Erachtens auch die Unterstützung durch das Stimmvolk unseres Landes. Sie sagt schlicht und einfach, dass das Monatseinkommen des obersten Chefs, heute modern CEO genannt, das Jahreseinkommen der Angestellten mit tiefsten Einkommen nicht übersteigen darf.

Verdient heute in einem Unternehmen ein Angestellter mit dem kleinsten Einkommen 60 000 Franken im Jahr, dann dürfte der oberste Chef max. 720 000 Franken jährlich kassieren. Allein diese Summe liegt  für die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausserhalb ihres Vorstellungsvermögens. Soviel kann man ja mit ehrlicher Arbeit kaum verdienen und trotzdem wird die Initiative von rechtsbürgerlichen Kreisen massiv bekämpft. Wollen diese wirklich so weitermachen wie bisher? Wollen sie weiterhin zulassen, dass CEO’s von grösseren und grossen Unternehmen sich nicht mit z.B. den 720 000 Franken jährlich zufrieden geben, sondern weiterhin Beträge im zweistelligen Millionenbereich kassieren? Wieviel  Ungerechtigkeit soll uns da noch zugemutet werden?

Die Gegner der Initiative schrecken auch nicht zurück mit unmöglichen und Angst machenden Argumenten, der Bevölkerung die Ablehnung der Initiative zu empfehlen. Da wird gewarnt, dass die AHV  massiv an Einnahmen verlieren würde und dass auch die Steuereinnahmen stark zurück gingen.
Solche Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage. Eher das Gegenteil würde eintreten. Wir können ja davon ausgehen, dass unsere Unternehmen, die heute ihren obersten Chefs exorbitante Löhne und Vergütungen zahlen, nach der Annahme der Initiative im Gesamten die gleiche Lohnsumme zahlt, dass aber die untersten Einkommen zu Lasten der obersten etwas angehoben werden. Das ist ja das Ziel der Initiative. Da auf der gesamten Lohnsumme die AHV-Beiträge bezahlt werden, bleiben die Einnahmen der AHV auf gleichem Niveau. Wenn wir berücksichtigen, dass die gleichen Kreise, die heute die Initiative bekämpfen, bei den Revisionen der Steuergesetze immer wieder verlangen, dass gewisse Lohnanteile der höchsten Einkommen, die in Form von sog. „Optionen“ ausgerichtet werden, nicht oder reduziert besteuert werden sollten und dadurch auch nicht AHV-pflichtig wären, dann sehen wir, wie scheinheilig hier argumentiert wird. Bis heute hat Bundesrat und Parlament dazu  mehrheitlich Nein gesagt, aber wie lange  noch. Die Gefahr besteht also, dass bei einer Ablehnung der Initiative schon bald auch die AHV  Einbussen hinnehmen müsste und nicht umgekehrt!

Noch unmöglicher ist das Argument der Steuerverluste. Wir wissen, dass die CEO’s mit den höchsten Bezügen, sich in der Regel Steuerparadiese als Wohnsitz aussuchen, z.B. die Gemeinde Wollerau, um nur eine zu nennen. Gehen wir einmal von folgendem Beispiel aus: der CEO einer grossen Basler Firma kassiert heute rund 30 Mio Franken jährlich. Nach Annahme der Initiative würde er noch rund 1 Mio Jahressalär haben. Die Reduktion von 29 Mio käme der Belegschaft durch eine bescheidene Lohnerhöhung zu Gute. Die Belegschaft dieses Unternehmens kann allerdings die Wohnsitze nicht in Steuerparadiese verlegen. Es lässt sich anhand der jeweiligen Steuerprogressionen und Steuersätzen leicht errechnen, dass der Anstieg der Kantons- und Gemeindesteuern der Belegschaft, den Steuerrückgang im Steuerparadies des betroffenen CEO stark übersteigen. Natürlich sinken die Steuern im Steuerparadies, aber das ist doch wirklich erwünscht und ein zusätzlicher positiver Effekt der Initiative. Einen leichten Rückgang hätte lediglich die Bundessteuer zu verzeichnen. Aber bitte: da hat uns Bundesrat Merz mit der letzten Unternehmenssteuerreform weit grössere Verluste beschert, und dies auch auf Wunsch der Leute, die heute die Initiative bekämpfen!

Unsere Wirtschaft lebt von sehr vielen Unternehmen, die sich im nationalen und internationalen Wettbewerb bestens behaupten und die Stütze unseres Wohlstandes bilden. Der grösste Teil der Chefs dieser Unternehmen haben stets das wichtigste Ziel vor Augen, nämlich das Unternehmen gesund in die Zukunft zu führen und der Belegschaft die Arbeitsplätze zu sichern.. Sie bleiben auch in ihren Lohnbezügen massvoll. Darauf dürfen wir auch stolz  sein! Da gibt es aber eine Minderheit, die sich schamlos bereichern und ihr Profitdenken über das Wohl des Unternehmens und der Belegschaft stellen.  Ihr Verhalten hat in unserer Gesellschaft zu Recht sehr viel Unmut ausgelöst. Wir müssen deshalb über eine vernünftige Gesetzgebung diese Minderheit in die Schranken weisen. Dies wird möglich wenn wir klar Ja sagen zur 1:12 Initiative. Wenn wir heute nicht handeln, dürfen wir uns morgen nicht beklagen, wenn die schamlos Abzockerei munter weitergeht. 

27. Aug 2013