Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden und der NSA-Affäre wissen wir alle, wie umfassend Geheimdienste mit modernen technischen Mitteln die Privatsphäre ihrer Bürgerinnen und Bürger überwachen und in deren Grundrechte eingreifen können. Mit dem Ausbau der Massenüberwachung sind Millionen Unschuldiger präventiv ins Visier der Staaten und damit unter Generalverdacht geraten.

Die Möglichkeiten zur Bespitzelung sind heute so umfassend, wie nie zuvor in der Geschichte. So überwachten die britischen Geheimdienste 2013 beispielsweise rund 600 Millionen Telefonverbindungen pro Tag. Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass der staatlichen Überwachung enge gesetzliche Grenzen gesetzt werden müssen, um die hemmungslose und exzessive Bespitzelung aller Bürgerinnen und Bürger zu verhindern.

Denn dass Geheimdienste auch ohne die Mittel moderner Telekommunikationstechnologie die Tendenz haben übers Ziel hinauszuschiessen, musste die Schweiz in der Vergangenheit bereits mehrfach erfahren. So wurde 1989 publik, dass der Schweizer Staatsschutz über Jahrzehnte von 900’000 Menschen in der Schweiz geheime Akten – so genannte Fichen – angelegt hatte. Und 2010 wurde bekannt, dass der Geheimdienst erneut Hunderttausende widerrechtlich überwachte. Nach der Zusammenführung der beiden Dienste Analyse und Prävention und Strategischer Nachrichtendienst unter dem Dach des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) versicherten die zuständigen Behörden, dass solche massiven Überwachungsexzesse in der Schweiz nie wieder vorkommen würden. Das letzten Freitag vom Parlament verabschiedete neues Nachrichtendienstgesetz lässt an diesem Versprechen grosse Zweifel aufkommen.

Das neue Gesetz öffnet eben diesem Schnüffelstaat Tür und Tor. Ohne Verdacht und ohne wirksame Kontrollen soll der Geheimdienst in Zukunft präventiv die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger überwachen können. Nach der parlamentarischen Beratung präsentiert sich das neue Gesetz – trotz geringfügiger Verbesserungen – immer noch als Anleitung zur umfassenden Bespitzelung der Menschen durch den Nachrichtendienst. Das Gesetz sieht einen Ausbau bei den Beschaffungsmassnahmen für den Staatsschutz vor. So sollen in Zukunft Räume verwanzt, Staatstrojaner auf Computern installiert und so genannte „Vertrauensleute“ eingesetzt werden können. Neu soll der Geheimdienst auch auf die Vorratsdatenspeicherung und damit auf die Randdaten der Kommunikation von uns allen zugreifen können, was bisher nur den Strafverfolgungsbehörden erlaubt ist. Und es wird die Möglichkeit zur geheimen Überwachung von E-Mails, Whatsapp-Nachrichten und Telefonen durch die Kabelaufklärung geschaffen. Schliesslich gefährdet das neue Gesetz auch die Neutralität, indem es die institutionalisierte Zusammenarbeit mit fremden Geheimdiensten und Angriffe auf ausländische Netzwerke durch die Schweiz vorsieht. Alle diese Massnahmen gefährden zahlreiche verfassungsmässig garantierte Rechte und führen uns direkt zurück in die Zeit der Fichenaffären.

Und genau deshalb sind wir heute hier: Wir wehren uns gegen das Ende der Privatsphäre und des Ende des Rechtsstaates für ein völlig unnötiges Gesetz.

Die JUSO Schweiz, die Grünen Schweiz, die Jungen Grünen Schweiz, die Gruppe Schweiz ohne Armee, die Digitale Gesellschaft, Grundrechte.ch, die Gewerkschaft Syndicom und die Alternative Liste Zürich, die Piratenpartei und die Partei der Arbeit haben sich aus diesem Grund im „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ zusammengeschlossen und entschieden das Referendum gegen das neue NDG zu ergreifen. Die SP Schweiz wird das Referendum voraussichtlich Ende Oktober beschliessen. Zahlreiche weitere Organisationen dürften folgen. Voraussichtlich am 6. Oktober beginnt die Referendumsfrist, die dann bis zum 16. Januar läuft. Danach soll das Volk über die massiven Verschärfungen beim Staatsschutz befinden und sie hoffentlich ablehnen.

Votum an der Medienkonferenz vom 28. September 2015 anlässlich der Lancierung des Referendums gegen das NDG

02. Okt 2015