Wie zu erwarten hat das Parlament grünes Licht zum Bau eines zweiten Tunnels am Gotthard gegeben - und dabei wenig Wert auf unsere Verfassung gelegt. Tatsächlich schreibt unsere Verfassung seit der Annahme der Alpeninitiative durch das Stimmvolk 1994 den Schutz der alpinen Regionen, die Begrenzung des Transitverkehrs und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene vor.

Auch wenn es noch viel zu tun gibt, bis der Volkswille tatsächlich angewendet wird, so hat diese historische Abstimmung doch einer Politik zum Durchbruch verholfen, die heute ihre Früchte trägt. Sie hat es erlaubt, den Schwerverkehr durch die Alpen zu begrenzen. Dieses Jahr haben wir einen neuen Rekord erreicht: 67.5 Prozent der Waren wurden mit der Bahn durch die Alpen transportiert! Erinnern wir uns daran, dass dieser Wert in Frankreich nur gerade 15 Prozent und in Österreich 26 Prozent beträgt. Ausserdem hat die Abstimmung von 1994 auch die grossen Eisenbahnprojekte im Alpenraum (NEAT) entscheidend vorwärts gebracht.

Das Thema ist heute wieder aktuell, denn der Strassentunnel durch den Gotthard muss aus Sicherheitsgründen spätestens ab 2025 saniert werden. Eine zu verlockende Gelegenheit für die Strassenlobby, die zwanzig Jahre Alpenschutz-Politik wieder einmal in Frage zu stellen. Die Entscheidung zum Bau einer zweiten Strassenröhre würde die Investitionen in die NEAT massiv schwächen. Geld, das zum Fenster hinaus geworfen wäre! Und Geld, das anderswo fehlen würde, wo es dringendere Projekte umzusetzen gäbe, insbesondere in den Agglomerationen.

Die Befürworter der zweiten Röhre wagen es zu behaupten, dass nur eine Spur pro Tunnel benützt würde, um die Kapazität nicht zu erhöhen. Wer kann sich schon vorstellen, dass die Behörden die Benützung aller vier Spuren wirklich verbieten würden, wenn sich der Verkehr am Gotthard wieder staut? Niemand glaubt solchen Versprechungen! In Wirklichkeit hätte der Bau einer zweiten Strassenröhre einen regelrechten Sogeffekt auf die europäischen Lastwagenunternehmen. Das würde zu einer starken Zunahme des Schwerverkehrs auf unseren Strassen führen. Mit den bekannten Auswirkungen auf das fragile Ökosystem der Alpen und die Gesundheit der Menschen, die in diesen Regionen zu Hause sind.

Ein breites Komitee, bestehend aus Alpeninitiative, SP, VCS, SEV, Grünen und anderen Organisationen lanciert deshalb am 7. Oktober 2014 das Referendum. Das Volk wird entscheiden. Und es wäre trotz allem Einfluss der Strassenlobby nicht erstaunlich, wenn die Bevölkerung den Eliten einmal mehr in Erinnerung rufen würde, dass ihr der Schutz unserer Alpen wichtig ist. 

07. Okt 2014