Die friedenspolitisch engagierten Kreise sind verunsichert: Bundesrat Ignazio Cassis liess den Aussenpolitischen Bericht stoppen. Befürchtungen werden laut, mit dem neuen Bundesrat könnte der Fokus vermehrt auf Wirtschaftspolitik statt Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit gelegt werden. Dies stünde im Gegensatz zu der Politik seines Vorgängers und hätte auch nichts gemeinsam mit dem, was die SP unter Friedens- und Aussenpolitik versteht.

Die innerparteiliche Fachkommission für Frieden und Sicherheit hat sich intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt, um zeitgemässe Antworten auf vordringliche Sicherheitsfragen zu finden. Das Resultat davon ist das Dokument «Sicherheit durch internationale Zusammenarbeit». Im Folgenden werden die Schwerpunkte des Dokuments aus unserer Sicht zusammengefasst:

1.      Die Welt ist unsicherer geworden. Die SP fordert eine umfassende Sicherheitspolitik und fordert dafür ein Umdenken, um mit einem breiten Verständnis von menschlicher Sicherheit den gängigen nur militärisch und territorial definierten Sicherheitsbegriff zu überwinden. Unser Leben ist von einer wachsenden Zahl von Gefahren bedroht, die wir nicht an der Landesgrenze abwehren können. Genauso wie wir verstehen, dass unsere Wirtschaft global agiert und mit der Umwelt aufs engste verflochten ist, müssen wir für unsere Sicherheit verstehen, wie Globalisierung, Finanzmarkt und Rohstoffhandel auch wachsende sozialen Diskrepanzen, Korruption und den Zerfall von Staatsstrukturen in ferneren Länden fördern und zu regionalen Konflikten führen, die unser Land durch den Flüchtlingsstrom und Terrorismus direkt betreffen. Unsere nationale Sicherheit verlangt deshalb unseren Einsatz für Stabilität mit globaler Perspektive und präventiver Ausrichtung. Nur so werden wir der UNO-Agenda 2030, der sich die Schweiz verpflichtet hat, gerecht. Deshalb lautet der Titel des vorgestellten SP-Papiers «Sicherheit durch internationale Zusammenarbeit».

2.      Die Schweiz kandidiert für den UNO-Sicherheitsrat in der Periode 2023-24. Die SP unterstützt mit Nachdruck diese Kandidatur, weil die Schweiz in der globalen Sicherheitspolitik Verantwortung übernehmen kann und soll. Die Schweiz ist kein Kleinstaat, sondern eine der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen mit hohem internationalen Ansehen und einer humanitären Tradition. Deshalb haben wir ein Einflusspotential, das wir in der multilateralen Diplomatie für unsere Werte und Interessen besser ausnützen können. Die SP würdigt positiv die aktive Rolle der Schweiz im Rahmen der UNO wie auch in der OSZE. Sie beweist, dass wir für unsere friedens- und sicherheitspolitischen Ziele vor allem dann etwas erreichen, wenn wir uns aktiv in die Zusammenarbeit mit andern Regierungen einbringen. Wir erwarten dabei vom Bundesrat aber auch ein mutigeres Auftreten für unsere Ziele, wie zum Beispiel für ein Verbot von Atomwaffen. Weil wir aussenpolitische Ziele mit der europäischen Wertegemeinschaft teilen, will die SP, dass der Bundesrat die Zusammenarbeit mit dem europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) ausbaut und mit der EU ein Abkommen für die Zusammenarbeit in Friedensmissionen abschliesst.

3.      Die SP steht zur Landesverteidigung, aber im Sinne der erweiterten Perspektive der menschlichen Sicherheit in unserer Gesellschaft. Dafür stellen wir die konventionelle Rüstung, dort, wo sie für die Zukunft Sinn macht, nicht in Frage. Wir fordern aber, dass wir uns nicht für den letzten Krieg rüsten, sondern unsere Politik auf die aktuellen und künftigen Gefahren ausrichten. Die grösste Lücke orten wir im Cyberbereich, wo sich das VBS lediglich darum bemüht, die eigenen Aktivitäten zu schützen, während für die nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken vollkommen ungenügende finanzielle und personelle Mitteln zur Verfügung stehen. Wir fordern eine Aufrüstung vor allem für die zivile Cyber-Sicherheit. Diese ist sowohl in unserer Infrastruktur und im Gesundheitswesen als auch von Seiten der Cyber-Kriminalität bedroht.

4.      Der weltweite Trend, wieder Grenzen dicht zu machen und unter dem Argument «Sicherheit» wieder vermehrt aufzurüsten, ist kaum die Antwort auf die Risiken und Herausforderungen in unseren vielfältig vernetzten Räumen. Gerade die neuen Spannungen im Ost-West-Verhältnis zeigen, wie wichtig die Schweizer Anstrengungen sind, das System der vertrauens- und sicherheitsbildenden Massnahmen (VSBM) in der OSZE zu stärken und damit wieder Fortschritte in der Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik zu machen. Die von der Rüstungslobby geforderte Lockerung der Kriegsmaterialexporte nach den Golfstaaten ist unannehmbar und steht im krassen Gegensatz zur humanitären Tradition der Schweiz. Das Fachkommissionspapier fordert im Gegenteil einen vollständigen Stopp der Kriegsmaterialexporte nach aussereuropäischen Staaten und stattdessen eine engere Rüstungskooperation innerhalb Europas. Damit können auch die industriellen Probleme gemildert und Kosten gespart werden. Atomwaffen hingegen sollen konsequent geächtet und die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa soll wiederbelebt werden.

5.      Friedensförderung ist laut Verfassung und Militärgesetz einer der drei Hauptaufträge der Armee. Gemacht wird in diesem Bereich aber fast nichts. Heute setzt die Armee bloss 0,18 % ihrer personellen und 1,27 % ihrer finanziellen Mittel in der internationalen Friedensförderung ein. Das genügt bei weitem nicht. Die Friedensförderung muss ein strukturbildendes Element der Armee werden, damit sie besser auf PSO (Peace Support Operations) vorbereitet ist und rascher reagieren kann. Zudem leistet PSO einen unverzichtbaren Beitrag zur Ausbildung der Armee. Es kommen nur Einsätze mit UNO-Mandat und gegenseitigem Einverständnis der Konfliktparteien in Frage. Ziel muss die Stärkung der UNO und ihres Systems der kollektiven Sicherheit sein. Gelingt es, mit PSO in Konfliktregionen eine Gewalteskalation zu verhindern, so ist das nicht einfach nur eine gute Tat, sondern liegt darüber hinaus im ureigenen Sicherheitsinteresse der Schweiz. Es gibt keine Sicherheit ohne menschliche Sicherheit.

In Reaktion auf Trump, Brexit und die Krisen an den Rändern Europas rückt Europa zusammen und macht sich von den USA unabhängiger. Die Schweiz teilt die europäischen Werte und ihre Sicherheit ist zutiefst von der Sicherheit in Europa abhängig. Sie muss sich aktiv einzubringen und die Mitwirkung projektbezogen ausbauen, wie zum Beispiel beim von der NATO geführte KFOR-Einsatz im Kosovo. Die Friedens- und Sicherheitspolitik der Schweiz leidet nämlich nicht an zu viel, sondern im Gegenteil, an zu wenig internationaler Zusammenarbeit. Die zielgerichtete Mitwirkung der Schweiz in der Partnerschaft für den Frieden und im Euro-Atlantischen Partnerschaftrat macht sicherheits-, aussen- und friedenspolitisch Sinn. Dabei ist es aber unabdingbar, dass die Schweiz bei der Auswahl der Projekte mit Bedacht vorgeht und diese im Einklang mit den Zielen und Werten der Schweizer Aussenpolitik stehen.

19. Jan 2018