Das Kleingedruckte und die Nebenwirkungen der Unternehmenssteuerreform III

Die Unternehmenssteuerreform? Alternativlos! So tönt es kategorisch auf allen Kanälen und in allen Landessprachen. Die EU wolle es so und der Wirtschafts-Standort brauche es so. Sonst würden Zehntausende von Arbeitsplätzen ‚abwandern‘. Als ob Politik je alternativlos ist! Wenn in einem Abstimmungskampf derart unverhohlen gedroht wird, lohnt sich ein Blick auf das Kleingedruckte und die Nebenwirkungen einer Vorlage.

In einem sind sich Gegnerinnen und Befürworter einig: die Reform reisst grosse Löcher in die öffentlichen Kassen. Der Grund dafür ist ganz prosaisch: Die Kantone rechnen, dass ihnen dank der massiven Steuererleichterungen für Unternehmen 2-3 Milliarden Steuer-Franken fehlen werden. Und haben darum dem Bund 1,1 Kompensations-Milliarden für Senkungen ihrer Gewinnsteuern abgetrotzt. Nur, der Bund hat diese Milliarde gar nicht. Er wird sie jedes Jahr von neuem einsparen müssen, auf Kosten der Kantone, der Gemeinden und der Bevölkerung. Ein klassischer Bumerang.

Schon jetzt hat der Bund die Prämienverbilligungen  um 75 Millionen Franken gekürzt. Das war erst der Anfang. Ähnlich sieht es bei der Bildung  und Forschung aus, unserem wichtigsten Standortvorteil: Der Bund finanziert  zu 100% die beiden ETHs, den Nationalfonds und die Innovationsagentur für KMU, zu 20 Prozent der Unis, zu 30 Prozent der Fachhochschulen und zu 25 Prozent die Berufsbildung.

Aber auch dort steht man auf die Bremse: Die Budgets wachsen weit weniger stark als die Anzahl der Studierenden.  Der Forschungs- und Bildungsstandort Schweiz wird der grüsste Verlierer der Steuerreform sein.

Die Befürworter schwärmen gerne von den Steuer- „Werkzeugen“ dieser Reform, aus denen die Kantone auswählen können, um ihre Firmen bei Laune zu halten. Wie funktionieren diese eigentlich? Dazu wird vornehm geschwiegen. Hier einige der besonders kreativen Tools:

Firmen können von Teilen ihres Eigenkapitals fiktive Zinskosten abziehen, die sie gar nie bezahlt haben. Von Normalsterblichen, die Wohnungen besitzen, wird genau das Gegenteil verlangt: Mit dem Eigenmietwert müssen diese ein fiktives Einkommen versteuern, das sie gar nicht erzielen. Die grosse Mehrheit der Kantone und der Bundesrat waren strikte gegen diese „zinsbereinigte Gewinnsteuer“, deren Auswirkungen eine gewaltige Hebewirkung für Ausfälle hat. Dennoch wurde sie im Bundesparlament durchgedrückt.

Zweites Beispiel: Künftig sollen Firmen 150 (!) Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben von den Steuern abziehen können. Versuchen Sie das mal als Privatperson bei Ihren Berufsunkosten wie Weiterbildungs- oder Kinderbetreuungskosten: Ihr Steueramt wird zu Recht den Kopf schütteln und die Steuererklärung retournieren.

Ähnlich ging es mit der Patentbox, die an sich richtig und gut ist: Sie wurde jedoch ausgeweitet zu einer eigentlichen Steuerschlupfhöhle, in der auch «nicht patentierbare Erfindungen» gelandet sind, deren Gewinn zu 90 Prozent am Fiskus vorbeigeschoben werden dürfen.

Die Grossaktionäre freut’s: Ihre Dividendeneinkommen, die sie seit der USR II nur noch zur Hälfte versteuern müssen, werden steigen. Kleinaktionäre, Rentner und Arbeitnehmerinnen versteuern ihr Einkommen zu 100 Prozent. Das Motto: Nicht Arbeit muss sich lohnen – Reichsein durch Kapital wird belohnt. Oder wie Helmut Hubacher einmal sagte: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.

In unserer Bundesverfassung steht, dass alle nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden müssen. Der Blick ins Kleingedruckte und auf die Nebenwirkungen der Vorlage zeigt, dass dieser Grundsatz massiv verletzt wird.

Kein Arzt würde ein Medikament mit so vielen schädlichen Nebenwirkungen verschreiben. In der Politik gibt es zum Glück die Möglichkeit das Paket an den Absender zurückzuschicken. Auftrag: Nachbessern!

 

Leicht gekürzt erscheinen in der Zeit vom 12. Januar 2017

17. Jan 2017