Die letzte Woche von der SPK-N unterstützte Forderung eines Verhüllungsverbotes verläuft auf ähnlichen Bahnen wie damals, als es um die Minarett-Initiative ging: Die «Burka» (stellvertretend für alle Tragarten des Schleiers von Muslima, die das Gesicht ganz oder zu einem grossen Teil verhüllen) sei ein Symbol für islamischen Extremismus und die Einführung einer sich nach der Scharia richtenden Parallelgesellschaft.

Ich gehe davon aus, dass sich die Argumentation der Befürworterinnen und Befürworter in der SPK-N mit der Argumentation des Egerkinger Komitees für das «Burkaverbot» deckt und ich deshalb darauf aufbauen kann. Es werden Ängste geschürt, indem der Terrorismus des IS explizit genannt wird: In solchen Zeiten sei es nicht zumutbar, dass sich Menschen total verhüllen. Es könnte sich ein Mann mit Waffe oder Bomben unter der Verhüllung verstecken, wird impliziert. Ähnlich die Argumentation gegen Minarette, da suggeriert wurde, eine extreme Auslegung des Islams werde in jenen Moscheen mit Minarett gepredigt.

«Vermummte» Menschen wollen sich der staatlichen Identitätskontrolle entziehen. Anders verhält es sich mit Frauen, die die Burka tragen. Sie «vermummen» sich nicht, um sich dem Gesetz zu entziehen. Sie tun es aus religiöser Überzeugung. Für sie gilt die Rechtsordnung der Schweiz genau so wie für alle andern Menschen auch. Fällt ein Verdacht auf eine Burka tragende Frau, muss sie sich einer Identitätskontrolle unterziehen. Wenn jemand wirklich Waffen mit sich tragen möchte, reicht eine Sporttasche oder eine Jacke, ein weiter Mantel. Dazu ist eine Burka in keinem Fall notwendig.

Das Tragen eines Schleiers über das ganze Gesicht, oder die Augen frei lassend, löst auch bei mir Unverständnis aus. Aus einer Perspektive der Frauenrechte kann das Tragen der Burka nicht gerechtfertigt oder unterstützt werden. Dennoch ist ein Verbot falsch. Viele kleine Gruppierungen behagen nämlich einer Mehrheit der Gesellschaft nicht! Auch sie tragen Erkennungszeichen wie spezielle Frisuren, Embleme oder Schuhe und andere Kleidungsstücke. Dennoch können sich diese Menschen in der Schweiz bewegen und ihre Überzeugung mit ebendiesen Symbolen zur Schau stellen. Dieses Recht muss auch für die verschwindend kleine Anzahl Muslima gelten, die entschieden hat, einen Ganzkörperschleier zu tragen. Diesen Frauen selbst wird zudem mit einem Verbot nicht geholfen. Viel eher ist anzunehmen, dass sie sich nicht mehr auf die Strasse trauen würden.

Selbstverständlich muss gegen ein Entstehen von IS-nahen Zellen in der Schweiz vorgegangen werden. Darum bemüht sich auch eine sehr grosse Mehrheit der in der Schweiz lebenden und bestens integrierten Muslime und Muslima. Dieses Ziel allein soll mit aller Konsequenz verfolgt werden. Ein Generalverdacht aufgrund des Aussehens oder der Kleidung aber geht gegen meine Werte.

Der Koran befiehlt keine Ganzkörperverhüllung für die Frau. Wie in den meisten anderen Religionen auch tragen Riten und Traditionen ebenso zum unterschiedlichen Ausleben derselben bei. Das Tragen einer Burka muss unter der in der Bundesverfassung geschützten Religionsfreiheit erlaubt bleiben – solange sich Betroffene an die in der Schweiz geltenden Gesetze halten. Um das zu überprüfen, haben wir in der Schweiz einen bestens funktionierenden Rechtstaat.

Ein Ansatz des Dialogs, auch über die Unterdrückung der Frau in anderen Ländern, ist ein besserer Weg, mit den Burka tragenden Frauen umzugehen. Die Initiativen, die sich gegen den Islam wenden sowie die Diskussionen in den Medien, in denen sich die Gegnerinnen und Gegner von Burka und Minarett äussern, lassen den Eindruck aufkommen, dass letztlich der Islam verboten werden soll. In der Medienmitteilung des Egerkinger Komitees steht, es sei den Muslimen in der Schweiz keine Gleichberechtigung zuzugestehen, weil dort, wo sie in fremden Ländern in der Mehrheit seien, den Minderheiten auch keine Gleichberechtigung zugestehen. Wir aber sind ein Rechtsstaat, und dieser garantiert die gleichen Rechte für alle. Zusammen mit der Demokratie, wie wir sie in der Schweiz leben, bildet der Rechtsstaat das Erfolgsmodell Schweiz. Genau was in der Bundesverfassung steht – also unter anderem die Gleichstellung – fordere ich. Mit einem Verbot, das sich gegen eine sehr kleine Minderheit richtet, werden unsere Werte nicht gestärkt. Im Gegenteil, ein solches Verbot verstösst in meinen Augen gegen das Willkürverbot.

27. Apr 2015