Der Nationalrat hat in der ersten Sessionswoche ein weiteres Mal die Vorlage zum Kindesunterhalt behandelt. Im Vordergrund der Diskussionen standen diesmal Fragen der Betreuung und der persönlichen Beziehung des Kindes zu den Eltern im Falle von Scheidung oder Trennung – und höchstens indirekt die damit verbundene Frage der Unterhaltsbeiträge.

Das Recht des Kindes auf regelmässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen und die Möglichkeit der alternierenden Obhut als Betreuungsmodell sind Anliegen, welche die SP grundsätzlich unterstützt. Trotzdem hat sie in der Debatte im Nationalrat vom vergangenen Mittwoch der Streichung zweier diesbezüglicher Bestimmungen zugestimmt, welche der Ständerat eingefügt hatte.

Weshalb sollen die beiden diskutierten Bestimmungen nicht im Gesetz aufgenommen werden? Ganz einfach: Sie sind nicht nötig. Das aktuelle Gesetz verpflichtet schon heute die Behörden mit verschiedenen Bestimmungen, bei ihrer Entscheidung das Kindeswohl und damit das Interesse des Kindes an regelmässigen persönlichen Beziehungen zu seinen beiden Elternteilen zu berücksichtigen. Und dies ist nun eine Selbstverständlichkeit. Ebenso ist es bereits heute so, dass die Gerichte Anträge bezüglich der Anteile der Eltern an der Betreuung der Kinder prüfen – prüfen müssen, andernfalls begehen sie eine Rechtsverweigerung.

Befürchtungen, die Gerichte oder die KESB führten einfach das während der Ehe gelebte Betreuungs-Modell weiter, sind zwar nicht ganz unberechtigt. Ob die nicht genauer definierte alternierende Obhut (die übrigens durch ein Postulat der RK-N genauer abgeklärt werden soll) die richtige ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Ich erwarte jedoch, dass die Gerichte oder die KESB Anträge betreffend Betreuungsaufteilung – und das kann eine alternierende Obhut sein – mit Blick auf das Wohl des Kindes unvoreingenommen prüfen.

Hier, bei den Gerichten und den KESB, gilt es also anzusetzen – und nicht mit zusätzlichen Gesetzesartikeln. Die Gerichte müssen überzeugt werden, dass ein anderes als das «klassische» Betreuungsmodell der kinderbetreuenden Mutter und des erwerbstätigen und zahlenden Vaters angesagt ist.  

Wer behauptet, es seien die «Feministinnen» (im schimpfwörtlichen Sinne), welche die Streichung befürwortet hätten, weil sie den Männern die Kinder vorenthalten möchten, ist auf dem Holzweg. Nein, es waren keineswegs solche Überlegungen. Ich bin nicht gegen eine verstärkte Beteiligung der Männer in der Familien- und Betreuungsarbeit – im Gegenteil: Ich unterstütze die Bestrebungen zu einer Aufgabenteilung der Eltern in der Familie. Ich setze mich mit der SP für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein – und dies für Frauen wie für Männer. Der regelmässige Kontakt und die persönliche Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen sollen auch im Falle einer Trennung oder Scheidung weiterhin gepflegt werden. Bestenfalls schon vorher! Dies ist der richtige Weg zu einer Gleichberechtigung in Familie und Beruf. 

06. Mär 2015