„Kettenreaktion“, der Verein zur Unterstützung der Kernenergie, veröffentlichte am 8. August im Blick und am 15. August in der NZZ ganzseitige Inserate, das so genannte Manifest 2014. Es führt sieben Punkte gegen die Energiewende auf. Alle Punkte sind faktisch widerlegbar:
  1. Die Energiewende ist nicht das Hindernis, sondern die Voraussetzung für eine ‚zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung’. Der Bau neuer Atomkraftwerke hingegen ist keine Option mehr. Das sagt selbst die Economiesuisse. Ganz einfach deshalb, weil sie heute teurer ist als alle Alternativen. Für den Bau neuer Atomkraftwerke gibt es in der Schweiz keine Investoren mehr. Kein freier Marktteilnehmer setzt auf eine überholte Technologie ohne Renditeaussichten, aber mit hohen unwägbaren Folgekosten. 
     
  2. Die Voraussetzungen und Annahmen der Energieperspektiven 2050 berücksichtigen die gängigen ökonomischen und technischen Prognosen der Energiebranche. Sie sind aus technischer Sicht völlig realistisch. Blinde Hoffnung schürt hingegen, wer auf veraltete, lebensfeindliche, und unbezahlbare Atomkraft setzt. Die englische Regierung bietet künftigen Atomkraftwerkbauern 30 Jahre lang 12 Rappen Subventionen pro kWh produzierten Strom. Und dies obwohl selbst nicht subventionierte Solarkraftwerke schon heute für 10 Rp/kWh und Windkraftwerke für 4 Rp/kWh Strom produzieren. Strom aus erneuerbaren Quellen wird immer günstiger, Atomkraft hingegen immer teurer.
     
  3. Die klassischen Wasserkraftwerke haben tatsächlich ein wirtschaftliches Problem. Aber nicht wegen den Solarkraftwerken, sondern wegen den Atomkraftwerken. Für die Wasserkraftwerke ist es gut, wenn es bei Sonnenschein stundenweise viel und somit günstigen Strom gibt. Dann können sie die Pumpwerke anstellen und den Strom sehr preiswert speichern. Es ist für die Wasserkraft aber schlecht, dass die Strompreise sich nie erholen, auch nachts nicht. Das hat nichts mit Solarkraft zu tun, sondern damit, dass zu viele nicht abstellbare Atom- und Kohlekraftwerke betrieben werden. Werden die endlich vom Netz genommen, haben die Schweizer Wasserkraftwerke gute wirtschaftliche Perspektiven.
     
  4. Die Stromspeichermöglichkeiten sind zahlreich, und sie werden laufend ausgebaut. Aber sie wurden in den letzten Jahren immer unrentabler, weil die Strompreise auch dann tief sind, wenn kein Solarstrom produziert wird. Am Montag 11. August zum Beispiel zeigte die Preiskurve der Schweizer Strombörse (Swissix), dass die Strompreise um vier Uhr morgens nur bei 1 Rp/kWh lagen; am Mittag lagen sie zwischen 2.5 und 3,0 Rp/kWh und selbst abends um 22 Uhr stieg der Preis nur bis maximal 4,3 Rp/kWh, was immer noch sehr tief ist. Das zeigt, dass nicht die Solarkraftwerke die Rentabilität vernichten, sondern die Atom- und Kohlekraftwerke, die nachts unnötigen Strom produzieren.
     
  5. Es ist sogar bösartig zu behaupten, die Energiewende würde die Klimaerwärmung antreiben. Strom aus erneuerbaren Quellen ist praktisch emissionsfrei und die Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz. Deutschland hat seit 1990 den Anteil an erneuerbaren Energien von 3% auf 25% gesteigert und den CO2-Ausstoss um einen Viertel gesenkt. Wer glaubwürdig gegen den Klimawandel antritt, fordert nicht Atomkraftwerke, sondern höhere CO2-Preise, damit die Kohle- und Ölkraftwerke möglichst bald abgestellt werden. 
     
  6. Das Verbot künftiger Atomkraftwerke ist allerspätestens seit Fukushima ein Gebot der Vernunft. Es unverantwortlich, kommende Generationen ohne Not dem Risiko auszusetzen, dass sie eines Tages für immer ihre Heimat verlassen müssen. Erst recht seit klar ist, dass die Wirtschaftlichkeit neuer AKWs nicht gegeben ist.
     
  7. Ja genau, es gibt bis heute auf der ganzen  Welt kein funktionierendes Endlager für hochradioaktive Abfälle – nach 60 Jahren Atomstromerzeugung! Alle Projekte sind kläglich gescheitert. Die Schweiz hat vor wenigen Wochen die Eröffnung des ersten Lagers auf das Jahr 2060 verschoben. Noch in den 1970er-Jahren hat uns die Atomlobby versprochen, die AKWs abzustellen, wenn bis 1985 keine Lösung gefunden sei. Alles gelogen! Der Anspruch, eine technische Lösung zu finden, die hunderttausende von Jahren überdauert, ist eine Anmassung, eine arrogante Selbstüberschätzung einer kurzsichtigen Generation. Das Problem, das den kommenden Generationen mit dem Atommüll aufgebürdet wird, ist gewaltig und beschämend. Die einzige glaubwürdige Antwort, die unsere Generation auf dieses selbstverliebte und verantwortungslose Denken und Handeln geben kann, ist endlich und rasch damit aufzuhören.
15. Aug 2014