2010 lebten in der Schweiz 1.7 Mio ausländische Staatsangehörige – das sind 22.4 Prozent der Bevölkerung. Die Mehrheit von diesen Menschen – ich betone Menschen – sind mit den hiesigen Verhältnissen bestens vertraut. 350‘000 – also jede 5. Person ist hier geboren. Doppelt so viele, rund 764‘000 Personen würden eigentlich die geltenden Bedingungen für die Gesuchstellung für eine Einbürgerung erfüllen, sie entschieden sich aber nicht dazu.

Die Schweiz als Willensnation hat eine lange Tradition. Sie bindet die Menschen, die mit uns leben und arbeiten, in die Gesellschaft ein. Unser demokratisches Staatssystem legitimiert sich über die breite Abstützung der Entscheide in der Bevölkerung. Die Einbürgerung ist ein Weg, über den politische Mitbestimmungsrechte verliehen werden. Die Aufnahmegesellschaft hat ein grosses Interesse daran, Ausländerinnen und Ausländer als aktive Bürgerinnen und Bürger zu betrachten. Die vielfältigen Aufgaben, die in unserer Gesellschaft anfallen, können nur mit aktiven Bürgerinnen und Bürgern bewältigt werden. Jede Gemeinde oder Bezirk, jeder Kanton und auch der Bund braucht auf allen Ebenen der Politik aktive Schweizer Bürgerinnen und Bürger.

Die letzte Teilrevision des Bürgerrechts fand 1992 statt. 1994 und 2004 gab es Revisionsbestrebungen mit dem Ziel, Vereinfachungen für Jugendliche einzuführen. Diese Bestrebungen scheiterten an der Urne. In den letzten Jahren gab es aber trotzdem Bewegung in den Einbürgerungsverfahren. Die Praxis in den Kantonen und Gemeinden hat sich darum verändert.

  • Seit dem richtungsweisenden Bundesgerichtsentscheid vom Juli 2003 darf nicht mehr an der Urne eingebürgert werden. Seither müssen ablehnende Entscheide begründet sein.
  • Die Gebühren dürfen seit dem Januar 2006 nur noch den administrativen Aufwand decken.
  • Die Einbürgerungsinitiative der SVP von Juni 2008, die den Gemeinden mehr Autonomie bei den Einbürgerungen geben wollte, wurde vom Volk wuchtig mit 64% abgelehnt.
  • Seit dem Januar 2009 haben die Kantone Gerichtsbehörden einzusetzen, welche Beschwerden entgegennehmen.
  • Am 12. Juni 2012 hat das Bundesgericht sein Überprüfungspraxis erweitert. Neu kann es nicht nur dann einschreiten, wenn die Ablehnung einer Einbürgerung diskriminierend oder unzureichend begründet ist, sondern auch dann, wenn Gesuchstellende die Integration in unhaltbarer Weise abgesprochen wird.

Fazit aus diesen Bewegungen: Die Einbürgerungspraxis hat sich in den letzten Jahren versachlicht. Bis auf ganz wenige Gemeinden werden die Gesuche von einer politisch zusammengesetzten Bürgerrechtskommission geprüft – die Einbürgerung ist zu einem eigentlichen Verwaltungsakt geworden.

Dadurch hat die Zahl der Einbürgerungen in den vergangenen 20 Jahren zugenommen. Von rund 10‘000 auf rund 40‘000 pro Jahr. Seit 2007 haben wir aber eine Trendwende. Die jährliche Zahl der Einbürgungen sinkt.

Leider ist es in den Beratungen in der staatspolitischen Kommission nicht gelungen, die  Bürgerrechtsvorlage den Entwicklungen anzupassen.

Die Vorlage ist vielmehr dazu missbraucht worden, sich als Hardliner in der ausländerrechtlichen Diskussion zu profilieren.

Der Gesetzesentwurf des Bundesrates hätte insbesondere für viele Einbürgerungswillige der zweiten und dritten Generation aus den klassischen Zuwanderungsländern Erleichterungen durch Verkürzungen der heute im europäischen Vergleich exorbitant langen Fristen bringen sollen. Diese sind mit den heutigen Anforderungen an die berufliche Mobilität nicht mehr vereinbar. Stattdessen wurden diese Vorteile fast gänzlich neutralisiert und die Vorlage  mit verschiedenen unnützen Verschärfungen ins Negative gekippt. Die SP-Fraktion lehnt den Entwurf in der vorgeschlagenen Form der Mehrheit der Kommission klar ab. Die Fraktion unterstützt den Nichteintretensantrag von NR Schenker.

Wir stellen darum zahlreiche Minderheitsanträge: Wichtig sind für unsere Fraktion insbesondere folgende Punkte:

  • Die Wohnsitzfrist für die ordentliche Einbürgerung soll bei max. 8 Jahren liegen. Jeder legale Aufenthalt in der Schweiz soll dabei wie bisher angerechnet werden.
  • Der Verzicht auf die Streichung der doppelten Anrechenbarkeit von zwischen dem 10. und 20. Altersjahr in der Schweiz verbrachten Lebensjahre, denn das ist integrationspolitisch ein ganz falsches Signal.
  • Die Streichung der C-Bewilligung als formelles Erfordernis bei der Gesuchseinreichung oder zumindest eine Ausnahme für die unter 25-Jährigen.
13. Mär 2013